Die Rolle der Mikroben in der Religion

Bin grade über folgende hochinteressante Hypothese gestolpert:

Midichlorians – the biomeme hypothesis: is there a microbial component to religious rituals?

Diese Hypothese lautet (meine Übersetzung):  Manche Aspekte religiösen Verhaltens innerhalb der menschlichen Gesellschaft sind zu erklären durch parasitäre Mikroben, welche ihren menschlichen Wirt diesbezüglich beeinflussen. Die Übertragung mancher religiöser Riten kann damit als eine gleichzeitige Fortpflanzung von Ideen („Memen“) zusammen mit der Ansteckung durch parasitäre Organismen verstanden werden.

Dies erscheint plausibel, weil ähnliche Verhaltensbeeinflussungen bei anderen Säugetieren beobachtet wurden, und es auch beim Menschen einen Evolutions-Vorteil für die Mikroben darstellt, wenn sie bestimmte rituelle Verhaltensweisen auslösen können, die ihre Übertragung von Mensch zu Mensch begünstigen. Das bekannteste Beispiel aus dem Tierreich ist die Manipulation von Mäusen durch die Toxoplasma gondii Parasiten, welche die Angst der Mäuse vor Katzen unterdrücken, damit ihre Wirts-Maus möglichst von einer Katze gefressen werde, in welcher die Parasiten dann ihren Lebenszyklus fortsetzen können.

Bei Mäusen ist das experimentell nachgewiesen, bzgl. Schimpansen und Leoparden wird dasselbe nur vermutet, und es wäre einfach ein großes Wunder, wenn es ausgerechnet bei Menschen nicht auch ähnlich funktionieren würde. Allerdings muss man zugeben dass es bislang nur im Fall der Tollwut gelungen ist, einen solchen Einfluss auch beim Menschen nachzuweisen – die ansonsten hierzu notwendigen Experimente wären offensichtlich unethisch.

Eine Ableitung aus dieser Hypothese ist insbesondere, dass die Teilnahme an religiösen Riten zurückgehen wird in dem Maße wie sich Hygiene und sanitäre Einrichtungen verbessern.

Midichlorians“ sind übrigens eine Variante dieser Idee aus dem Kontext der Star Wars Filme: so heissen dort die inneren Parasiten, welche „die Macht“ vermitteln.

Ergänzung 2022:

Es gibt auch eine positive Rolle für heilende, weil antibiotisch wirksame Microben im religiösen Kontext: so hat ein Forscherteam der Universität Swansea 2018 publiziert, dass die als heilkräftige verehrte Erde vom Grab des 1815 verstorbenen Pfarrers James McGirr der Gemeinde Boho tatsächlich Bakterien enthält, die nun den Namen Streptomyces myrophorea erhielten und antibiotisch selbst gegen multiresistente Krankheitskeime wirken.

2. Ergänzung 2022:

Eine neueste Auswertung der Wirkung von Toxoplasma gondii Parasiten – in diesem Fall nun auf Wölfe – lässt die Drehbuch-Idee von die Macht verleihenden Mikroben beängstigend real erscheinen: befallene Wolfsrüden werden durch ihr von Parasiten verändertes Verhalten nicht nur häufiger zu Leitwölfen oder Rudelgründern, sie erschliessen auch neue Reviere und zeugen mehr Nachkommen.

Ergänzung 2023:

Nun wird es verrückter: Darmbakterien haben offenbar Einfluss auf unsere Intelligenz, so titelt GEO diesen Artikel über neueste Forschungsergebnisse:

Chinesische Forscher haben ein Korrelation zwischen Darmbakterien vom Typ Fusicatenibacter oder Oxalobacter und den Messwerten aus kognitiven (verbalen resp. mathematischen) Tests gefunden. Auch wenn hier zunächst nur eine Korrelation vorliegt, meinen die Forscher angeblich, dass die beiden Bakterienspezies direkten Einfluss auf die Intelligenz ausüben, und nicht etwa umgekehrt.

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