Octavian

Schon mit 17 Jahren wurde der junge Octavian von Spoleto auf Betreiben seines Vaters Alberich sofort nach dessen Tod zum neuen Fürsten der Stadt Rom – „princeps ac senator omnium Romanorum“ – erhoben. Diese weltliche Herrschaft übte er die nächsten 10 Jahre aus bis zu seinem eigenen viel zu frühen Tod mit nur circa 27 Jahren.

Allerdings wurde Octavian ebenfalls schon als Jugendlicher auf Wunsch seines Vaters und seiner Grossmutter, der ebenfalls schon verstorbenen Senatorin – „senatrix et patricia Romanorum“ – Marozia, kurz danach auch zum Papst geweiht und erscheint darum in der Geschichtsschreibung heute meist unter seinem Papstnamen Johannes XII. Octavian war erst der zweite Papst, der einen neuen Namen für sich auswählte anlässlich seiner Ernennung: vorher hatte nur ein Papst namens Mercurius dies auch getan.

Octavians religiösen Aktivitäten fokussierten sich auf die grade beginnende Reform des Ordenswesens, wo Klöster als Teil der cluniazensischen Reformen nun unabhängig von weltlichen Herrschern und lokalen Bischöfen werden – genannt Exemtion und Libertas Romana – und statt dessen direkt unmittelbar dem Papst – also nun Octavian – unterstellt sein wollten.

Der junge Octavian aus der Adelsfamilie der Tuskulaner – der späteren Colonna – war somit in Personalunion zugleich Princeps und Pontifex Maximus, also weltliches und religiöses Oberhaupt von Rom – damals mit nur ca. 20’000 Einwohnern – und seinem Umland, sowie zusätzlich von vielen Klöstern.

Offiziell sind keine Münzen von Octavian bekannt. Diese dem antiken Kaiser Augustus zugeschriebene Münze zeigt allerdings einen auffällig jugendlichen Kopf, und unter den liturgischen Instrumenten – Schöpfkelle, Wedel, Kanne und Krummstab – einen exzessiv, nämlich 3-fach gewundenen Lituus, abweichend von anderen antiken Lituus-Abbildungen.
In Rom war der Lituus ursprünglich Amtsinsigne der Könige und später des Princeps, entwickelte sich dann weiter zum Krummstab der christlichen Bischöfe und Äbte.

Octavians bedeutendste politische Handlung war es, dass er in dem vom Stief-Grossvater König Hugo ererbten Kampf gegen Berengar II. von Ivrea schliesslich den König der Sachsen, Ostfranken und Lombarden Otto zu seiner militärischen Unterstützung holte, als ein Angriff Berengars auf Rom drohte, und Otto dann nach dessen Erfolg über Berengar prompt zum neuen Kaiser – „Romanorum imperator“ – krönte, wodurch die Tradition des römisch-deutschen Kaisertums und damit das Heilige Römische Reich begründet wurde. Der Titel „Imperator“ benennte Otto hier klar als den Inhaber der obersten Militärgewalt, wogegen Octavians eigener Titel „Princeps“ den politischen Anführer und Inhaber der höchsten Zivilgewalt auszeichnete. Hiermit endete auch die Periode eines separaten Königtums in Italien, nachdem Otto diese Krone bereits kurz vorher durch seine Heirat mit der jung-verwitweten lombardischen Königin erworben hatte.

Übersichtskartenausschnitt mit den beteiligten Orten

Davor war der Grossvater von Berengar II. zuletzt römischer Kaiser gewesen, war allerdings schon 38 Jahre vorher ermordet worden, ohne dass es danach einen neuen Kaiser gegeben hätte. Otto wurde mit 50 gekrönt, kannte also das Kaisertum noch aus seiner eigenen Kindheit, Octavian dagegen kannte es nicht mehr persönlich.

Der Kaiserkrönung folgte nun eine Synode, in der eine Evangelisierung der slawischen Völker geplant wurde, und als Zentrum dieser Mission und neues Erzbistum wurde dafür Ottos Frontstadt Magdeburg vereinbart. Auch bestätigte der neue Kaiser dem Papst nun die wohl erfälschten Pippinschen und Konstantinischen Schenkungen, im wesentlichen also seine weltliche Herrschaft über das Gebiet des Kirchenstaats. Im Gegenzug erhielt Otto einige bedeutende Reliquien von lokalen Märtyrerheiligen der Stadt Rom, darunter den Arm der hl. Felicitas und die Schädeldecke des hl. Sebastian:

Armreliquie der hl. Felicitas, heute im Domschatz von Münster
Schädel-Reliquiar des hl. Sebastian, heute in Ebersberg (in beiden Fällen stammen die Behälter aus späterer Zeit)

Neuzeitliche Historiker bezeichnen den Zeitraum, in dem Octavian lebte und wirkte, polemisierend als Pornokratie wegen der Teilhabe von Frauen an der Macht in Rom in dieser Zeit (von gr. „porne“ = Hure), und als Teil des sogenannten Saeculum obscurum, welches sogar 164 Jahre andauerte und den allerersten Wiederaufbau umfasst, der unmittelbar nach dem katastrophischen Untergang der Antike folgte.

Der antike Kaiser Augustus verwendete übrigens den Namen Octavian nie selbst, vielmehr hiess er ursprünglich „Gaius Octavius“ und erst dritte Personen haben dann begonnen ihn als den „Octavianus“ zu bezeichnen, im Sinne von „aus dem Geschlecht der Octavier herstammend“, nachdem er von Julius Caesar testamentarisch ins Geschlecht der Julier adoptiert worden war und nun offiziell dessen Namen „Gaius Iulius Caesar“ identisch trug.

Die Familie der Tuskulaner brachte später noch weitere Träger des Namens Octavian hervor, etwa seinen Großneffen, einen Bruder des Papstes Benedikt IX. Papst Benedikt IX war noch jünger – mit etwa 14 Jahren – als unser Octavian erstmals zum Papst ernannt worden, trat zweimal zurück und wurde zweimal später erneut zum Papst ernannt, zählt daher heute als 145., 147. und 150. Papst. Auch der spätere Papst Viktor IV. hatte ursprünglich den Namen Octavian getragen.