Die Oktaeteris

Wir lernen in der Schule, dass Julius Caesar die Schalttage eingeführt habe, die jedes 4. Jahr auf 366 Tage verlängern, so dass eine durchschnittliche Jahreslänge von 365,25 Tagen erreicht wird, was bis auf 11 Minuten Abweichung dem Sonnenumlauf entspricht.

Caesar hat den Kalender 47 v.Chr. wohl standardisiert, aber er kann die Schalttage nicht neu erfunden haben: im Vorjahr seiner Kalenderreform hatten auf der Peloponnes die Spiele der 183. Olympiade stattgefunden, d.h. die 4-jährige Olympiaden-Rechnung, zu deren Zyklusbeginn Wettkämpfe jeweils im Hochsommer gefeiert wurden, lief schon seit über 700 Jahren. Das bedeutet aber, dass die Olympiade nicht 4 Jahre zu je 365 Tagen umfasst haben kann, denn sonst wären wegen der fehlenden Schalttage die Spiele um 183 Tage zu früh angestanden, also nunmehr mitten in den Winter gerückt. Es muss also zumindest im langjährigen Durchschnitt die Olympiade 4*365+1 = 1461 Tage lang gewesen sein, also den Sonnenumlauf ebenso genau gezählt haben wie der julianische Kalender, wohl aber mit anderer Verteilung der Monate und Jahre.

Tatsächlich war die Innovation des julianischen Kalenders nicht der Schalttag, sondern die Loslösung der Monatsrechnung vom Mondumlauf – denn der vorher gebräuchliche griechische Kalender hatte eben noch darauf beharrt, dass die Monate mit den Mondphasen übereinstimmen müssen, was diesen Kalender viel komplizierter machte. Caesar hat diese sehr schwierige Anpassung an den Mond abgeschüttelt und einen viel einfacheren reinen Sonnenkalender festgelegt, in dem die Monate nun allenfalls noch Tierkreiszeichen entsprechen können, aber nicht mehr den Vollmonden

Die Oktaeteris

Oktaëteris oder Achter-Zyklus ist die Bezeichnung für diesen vorherigen komplexeren griechischen Kalender mit mondphasen-getreuen Monaten:

Dieser Kalenderzyklus dauert 8 Jahre, die zunächst jeweils aus 12 Monaten mit abwechselnd 29 oder 30 Tagen bestehen, im Durchschnitt 29,5 Tage pro Monat zählen. Beim 3., 5. und 8. Jahr des Zyklus kommt dann jeweils noch ein 13. Monat mit 30 Tagen als Schaltmonat dazu; konkret wird dazu der 7. Monat verdoppelt, der im Winter und damit außerhalb der Vegetationsperiode liegt.

Damit zählen die 8 Jahre nun 8*354 + 3*30 = 2922 Tage, was im Durchschnitt 365,25 Tage pro Jahr ergibt – nun allerdings so, dass alle 99 Monate mit den Vollmonden zusammenpassen, und auch jeder Jahresanfang auf Neumond fällt. Die Olympiaden sind dann immer abwechseln 49 und 50 Monate lang – nicht etwa 49,5 Monate.

Die tatsächliche durchschnittliche Dauer eines Sonnenjahres beträgt 365,24220 Tage bzw. 2921,9376 Tage pro 8 Sonnenjahre, die Oktaeteris ist also um 0,0624 Tage, d.h. knapp anderthalb Stunden oder 0,002%  zu lang. Nach 16 Zyklen, also 128 Jahren, wäre die Streichung eines Tages erforderlich – genau derselbe Kalenderfehler, der dann die gregorianische Kalenderreform erforderlich machte.

Schlechter sieht es allerdings mit dem Mond aus: die durchschnittliche Dauer einer Mondphase beträgt 29,53059 Tage, bzw. 99 Mondphasen dauern 2923,5284 Tage, die Oktaeteris ist also um etwa anderthalb Tage oder 0,05% zu kurz was den Mond betrifft; erst nach etwa 19 Zyklen passt der Vollmond wieder genau.

Zusätzlich hat die Oktaeteris auch eine gute Passung mit der synodischen Periode des Planeten Venus: diese beträgt im Schnitt 583,9169 Tage, und damit dauern 5 dieser Venuszyklen 2919,58 Tage, also nur etwa 2,4 Tage oder 0,08% weniger als eine Oktaeteris; d.h. in jeder Oktaeteris wiederholen sich auch die Phasen der Venus nahezu gleich bzw. nur um knapp zweieinhalb Tage verschoben, was ja relativ zum 584-tägigen „Venusmonat“ ein kleiner Fehler ist.

Der Kallippische Zyklus

Eine genauer passende Zählung ergibt der 9,5-fach längere Kallippische Zyklus:   hier besteht der Kalenderzyklus aus nun 76 Jahren und 940 mondphasen-getreuen Monaten, 27’759 Tage insgesamt. Die durchschnittliche Jahreslänge ist damit wiederum 365,25 Tage, aber die durchschnittliche Monatslänge nun 29,53085 Tage – die Anpassung an die Mondphase ist hier mit nur 0,0009% Abweichung nun sogar genauer als die ans Sonnenjahr (0,002% Abweichung). Ein kallippischer Zyklus umfasst 19 Olympiaden, von denen alternierend 10 nur 49 Monate und dazwischenliegend 9 dann je 50 Monate zählen.

Auch hier haben die Jahre zunächst 12 Monate mit alternierend 29 respektive 30 Tagen, aber 28 dieser Jahre bekommen einen 13 Monat als Schaltmonat, wobei dieser in 13 Fällen 30 Tage und in 15 Fällen 31 Tage umfasst – so ergeben sich 76*12+28 = 940 Monate und 76*354+13*30+15*31 = 27’759 Tage.

Zum Vergleich: unter der einfacheren Oktaeteris zählt man in 152 Jahren 19*3 =  57 Schaltmonate zu 30 Tagen – mit dem kallippischen Zyklus hat man in derselben Zeit von 152 Jahren nur 2*28 = 56 Schaltmonate, und die 30 Tage des fehlenden 57. Schaltmonats werden statt dessen gleichmässig auf die anderen umverteilt, damit die Mondphasen getroffen werden. Denn: 152 Jahre, also 55’518 Tage, enthalten ziemlich genau 1880 Mondumläufe, man muss also 152*12 + 56 = 1880 Monate ansetzen, der 57. Schaltmonat nach der Oktaeteris musste eben weg.

weitere Varianten

Das Viertel eines kallippischen Zyklus, also 19 Jahre, 235 Monate, 6939,75 Tage, ist auch als Meton-Zyklus bekannt. Das Siebenfache des kallippischen Zyklus, also 532 Jahre, 6580 Monate, 194’313 Tage, ist auch als Osterzyklus bekannt – erst im nächsten Osterzyklus wiederholen sich alle Daten und Mondphasen des kallippischen Kalenderzyklus auch mit demselben Wochentag, und damit auch der als Sonntag nach Vollmond bestimmte christliche Ostersonntag.

Als andere Variante findet man auch die doppelte Oktaeteris, auch als „Hekkaidekaëteris“ bezeichnet: der 16-Jahr-Zyklus bietet den kleinen Vorteil, dass der Fehler in der Mondphase nun 3 volle Tage beträgt, die man ergänzt und nach 10 Zyklen mit dem Streichen eines ganzen 30-Tage Monats kompensiert. Zur Osterbestimmung verwendet man dann die siebenfache Oktaeteris, also einen 56-Jahr-Zyklus – da wiederholen sich die Monate zu denselben Wochentage, oder die siebenfache Hekkaidekaeteris, 112 Jahre.

Nach römischer Überlieferung gab es wohl auch eine Tetraeteris, also einen 4-Jahres-Zyklus, der eigenartigerweise aus 2 Mondjahren zu 354 Tagen und 2 Jahren mit zusätzlichen Schaltmonaten von 22 resp. 23 Tagen bestanden haben soll, also 354+376+354+377 = 1461 Tagen, mit dem Effekt dass hier alle 2 Jahre die Passung der Mondphase an den Monat sprunghaft wechselt – ein eigentümlicher Zwitter.

Zyklische und langfristige Veränderungen der Monatslänge

Nun ist es so, dass der tatsächliche Zeitraum zwischen 2 Vollmonden zwischen 29,26 und 29,84 Tagen zyklisch schwankt, weil der Mond auf einer elliptischen Bahn mit entsprechend variierender Geschwindigkeit um die Erde läuft. Während beispielsweise der chinesische Kalender versucht, nun die Mond-Monate genau nach den tatsächlichen Vollmonden zu zählen, so dass manchmal auf mehrere 30-Tage-Monate später mehrere kurze mit nur 29 Tagen folgen, arbeiten die griechischen Kalender mit Durchschnitts-Mondphasen, also mit dem mittleren Abstand von Vollmonden. Neben den zyklischen Schwankungen gibt es aber auch eine sehr langsame langfristige Veränderung der Mondphasendauer durch Faktoren wie etwa die Gezeitenreibung und Einflüsse anderer Planeten, die schon in den Siebzigern durch Robert R. Newton und lange vorher schon von Pierre Laplace studiert wurden. Laut dieser kurzen Studie von 1991 ist aber diese langfristige Veränderung sehr gering: der synodische Monat verlängert sich nur um etwa 0,2 Sekunden oder 0,000002 Tage pro Jahrtausend; dies ist insignifikant für Kalender-Rechnungen.

Es ist aber wohl offensichtlich, dass wir uns hier nun mit astronomischen Berechnungen befassen und den Bereich praktischer Kalender für die alltägliche Jahresrechnung längst verlassen haben. Wegen der „krummen“ Umlaufdauern existiert aber keine einfache Zählung, die sowohl Sonnenjahr als auch Mondphasen trifft, und so hatte Caesar wohl durchaus recht, den alten Zopf der mondphasen-getreuen Monate einfach abzuschneiden.

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