Warum Freimaurer ?

Beim Lesen dieses Buches hab ich nun endlich verstanden, zu welchem Zweck die Freimaurerei wohl damals entwickelt wurde:

Fast alle Handwerker waren in Mittelalter und früher Neuzeit seßhaft wie der größte Teil der Bevölkerung auch, und religiös genauso lokal homogen wie diese Bevölkerung auch.

Steinmetzen aber bildeten eine Ausnahme, denn diese haben überwiegend an überregionalen Großprojekten gearbeitet, an Kathedralen, Burgen, Kirchen, Schlössern o.ä.. Sie lebten deswegen als Migranten und zogen von einer Großbaustelle zur anderen – oder mussten das sogar tun, denn sie konnten ggf. auch zu einem solchen Großprojekt dienstverpflichtet werden. Die Tätigkeit der Steinmetz-Meister bestand nun aber nicht primär aus Steineklopfen: sie waren die Architekten der Kirchen und Schlösser, sie organisierten alle Arbeiten auf der Baustelle und auch in den Steinbrüchen, und sie waren manchmal sogar an der Baufinanzierung beteiligt. Heute würde man sie als „Leiter internationaler Bauunternehmen“ bezeichnen und als Wirtschaftsführer einstufen.

Wurden also nach der Reformation zum Bau einer Kathedrale nun Steinmetzen aus halb Europa herangeholt, fand sich in der Bauhütte eine Mannschaft die religiös bunt zusammengewürfelt war, Protestanten aller Denominationen, Katholiken, eventuell auch Orthodoxe, Muslime oder Juden – jedenfalls Angehörige von Gruppen, die oft genug anderswo grade im Krieg gegeneinander lagen.

Man stand nun vor der Aufgabe, diese inhomogene Schar so zu organisieren dass eine reibungslose und effiziente Zusammenarbeit stattfinden konnte über die bestehenden Herkunftsunterschiede und Glaubensgrenzen hinweg. Und genau zu diesem Zweck wurden die Regeln und Rituale der operativen Freimaurerei ursprünglich entwickelt.

Freimaurerei (Zirkel und Winkel - Symbol der Freimaurer)

Später dann wurde diese bei den Steinmetzen altbewährte Lösung übernommen auch für andere Gruppen, die in ähnlichen Situationen trotz bestehender religiöser und später auch nationaler Differenzen eng zusammenarbeiten mussten oder wollten. Ein Bedarf dafür trat vor allem im Vereinigten Königreich auf, nachdem der katholische König der Schotten im protestantischen England den Thron bestiegen hatte, so dass es nun primär dort zu einer Verbreitung und Etablierung der spekulativen Freimaurerei kam. Aber es gab ähnlich zusammengewürfelte Teams typischerweise auch beim Militär, an Universitäten, an Theatern, in Kolonien, …

Das erklärt auch warum Kirchen – besonders die katholische – die Freimauererei ablehnen und bekämpfen: auch wenn die Freimaurer explizit selbst keine Religion sein und den Kirchen keine Konkurrenz machen wollen, ist es ihr Zweck und Ziel, religiöse Spannungen zu neutralisieren und dadurch die Macht der Kirchen zu entschärfen, was diesen natürlich nicht recht sein kann.

Die strenge Verpflichtung zur Verschwiegenheit unter den Freimaurern ist vor allem als Abwehrmaßnahme gegen die exzessive Ausnutzung der sogenannten Ohrenbeichte durch die Jesuiten in der Gegenreformationszeit zu verstehen.